Glückstagebuch-Talk: Künstlerin trifft auf Psychotherapeutin

Geposted von Marlies Wieser am

Marlies
Es haben mich jetzt in den letzten Tagen viele Fragen erreicht zu den bevorstehenden Webinaren, Workshops. Deswegen, und auch um dich liebe Susanna meine Expertin bei diesem Herzensprojekt vorzustellen habe ich dich zu diesem Talk geladen. Kannst du dich kurz vorstellen?
Susanna
Vielen Dank für diese Einladung liebe Marlies. Ich freue mich, bei Deinem Herzensprojekt dabei sein zu dürfen. Ich bin Psychotherapeutin und arbeite in freier Praxis in Wien und seit kurzem auch in Klagenfurt. Bei Deinem Projekt darf ich Inputs aus der psychologischen Perspektive liefern. Das Glückstagebuch spricht mich an, weil ich glaube, dass es viele Wege gibt, ins eigene Gleichgewicht zu kommen. Ein Weg ist der kreative Ausdruck. Das wird häufig unterschätzt, aber es birgt ganz viel Potenzial. Wir gehen dabei ab von gewohnten Pfaden und zapfen Hirnareale an, die oftmals lange Zeit ungenutzt waren. Dabei können wir uns neu und anders kennenlernen, neue Kraft schöpfen.
Marlies:
Eine Frage/Aussage zB war: ich habe ja so schon keine Zeit für irgendwas dann soll ich auch noch Tagebuch schreiben - ich glaube nicht, dass sich das ausgehen wird, und überhaupt bin ich ganz untalentiert beim Schreiben und Zeichnen kann ich schon gar nicht!“
Ich habe darauf geantwortet:
Zeit ist natürlich ein Faktor, der uns allen in dieser schnelllebigen Zeit fehlt, aber wenn man aus einer Aktivität mehr Lebensfreude und Zufriedenheit langfristig erfährt, denke ich sollte man 10 bis 15 min./Tag investieren. „Ich kann nicht zeichnen“ - das ist so ein Glaubenssatz, den wir verbannen sollten oder?
Susanna:
Du sprichst da zwei verschiedene Dinge an, die möglicherweise zusammenhängen. Wenn uns etwas unangenehm ist, dann werden wir auch nicht leicht Zeit dafür finden. Wenn uns aber bewusst ist, dass uns eher eigene Ansprüche und unser verinnerlichtes Leistungsdenken hemmen, dann können wir vielleicht über unseren Schatten springen und etwas wagen, uns die Zeit nehmen. Kunst kann man ja auf zwei unterschiedliche Arten verstehen. Einerseits gibt es die Kunst, die mit Können und Kunstfertigkeit gleichgesetzt wird. Andererseits kann man Kunst auch als den ganz persönlichen Ausdruck des Inneren verstehen. Diese Art von Kunst kennen wir erst seit dem 19. Jahrhundert. Sie macht es uns möglich, Gefühle, Gedanken oder Impulse, nach außen zu bringen und etwas zu erleben. Dabei kann es kein „richtig“ oder „falsch“ geben.
Marlies
Wir zeichnen bei unseren Workshops ohne Druck und ohne Anspruch auf Perfektionismus - also frei nach dem Motto Unperfekt = perfekt. Ich habe gelernt, jetzt in dieser Lebensphase und durch meinen Zeichenstil, dass dieser Perfektionismus komplett unangebracht ist, denn es bedeutet dann ja auch immer ein Stück weit, mit sich selber unzufrieden zu sein, oder?

Susanna:
Ja klar. Wann ist es denn perfekt? Wirklich perfekt? Ich persönlich verwende das Wort „perfekt“ nicht gerne. Da zieht sich bei mir körperlich alles zusammen. Da schränke ich mich ein und mache mir Druck. Das hat viel mit Bewertung zu tun. Bin ich gut genug? Oftmals waren wir als Kinder mit Bewertung konfrontiert. „Wenn du so oder so bist, dann finden wir Dich gut!“. Das führt dazu, dass wir unsicher werden und uns infrage stellen. Wir wollen ja schließlich gemocht werden und passen uns dann an. Im schlimmsten Fall verbiegen wir uns so weit, dass wir unglücklich oder sogar psychisch krank werden. Zu unserem eigentlichen Ich können wir beispielsweise wieder durch kreatives Arbeiten finden. Wenn wir dem nachspüren was in uns ist und es rauslassen. Mit dem Glückstagebuch können wir das mit Hilfe von Zeichnungen tun und wieder in Verbindung mit uns selbst kommen. Das fühlt sich gut an und stärkt uns. Eine meiner Lehrerinnen, eine erfahrene Kunsttherapeutin, Sylvia Gaul, beschreibt es so: „Kreativität ist ein Akt der Selbstwirksamkeit, eines fundamentalen Ich-Gefühls.“

 


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